An einem Freitagnachmittag Ende November, am Nebentisch im Literaturcafé in der Fasanenstraße bestellt ein älterer Herr einen Malteser zum Bier. Wir fragen uns, was moorige Erdkluten in regennassen Ausläufern der letzten Eiszeit mit Sturheit, Zähigkeit und einer Tendenz zum Schweigen gemeinsam haben.
Wir sind beide dort aufgewachsen, wir sagen, unsere Wurzeln sind da, wir sagen nicht, das ist unsere Heimat. Das ist nicht mehr unsere Heimat.
Man sagt, einen Baum verpflanze man nicht so einfach – die Wurzeln würden das nicht mitmachen. Das ausbalancierte System der Osmose in feingliedrigen Wurzeln ist zu komplex, zu fragil. Je verwobener, desto stabiler.
Unsere Wurzeln haben wir vor langer Zeit gekappt, haben die Stabilität des Stammes dem freien Blick der Blätter in den Himmel geopfert, sie den Stürmen des Herbstes und der Hitze des Sommers ausgesetzt. Ohne sprudelndes Chlorophyll kein Wachstum.
Wir wachsen in einem Kreislauf aus ewiger Zerstörung und Neuaufbau. Ein hypertrophierendes Karussell, in das wir unsere Freunde und Familien setzen, unsere Häuser und Möbel platzieren, mit Fliehkräften, die manchmal zu groß werden.
Mit leuchtenden Kinderaugen betrachte ich die kreiselnden Pferde und Raumschiffe, die blinkenden Feuerwehrautos und Traktoren. Ein kreiselndes Ufo mit Geruch nach gebrannter Mandel und Zuckerwatte auf der Radrennbahn. Das zeitverzögerte Raunen der Fans auf der Alm und Vitamalz mit Papa auf dem Balkon in der Apfelstrasse: ein Gefühl von Wurzel, dass sich süßlich, unaussprechlich und nicht hinterfragt, das ist jetzt so, über mein Herz legt.